Thomas Borenitsch: „… Und dann war’s richtig oasch!“

30. March 2023 in ADMIRAL Bundesliga

Kaum ein Abstiegsthriller bot so viel Dramatik wie der Keller-Showdown 2013. Mattersburg-Goalie Thomas Borenitsch erinnert sich an eine wilde Fahrt, die mit dem Aufprall in der 2. Liga endete.

 

Stille. Gespenstische Stille. Obwohl fast 9.000 Zuschauer das Pappelstadion bevölkerten, hätte man einen Grashalm umknicken hören können. „Selbst der Stadionsprecher hat in dem Moment nix geredet, keine Ergebnisse von anderen Plätzen, keine Durchsagen. Alle waren einfach nur fertig“, erinnert sich Thomas Borenitsch an das Ende eines Dramas, das in Mattersburg den tragischen Helden hatte. Gejubelt wurde stattdessen woanders, bei Gegner Admira, Wr. Neustadt und Wacker Innsbruck, wo man nicht weniger als eine Auferstehung feierte. Doch der Reihe nach.

Die Ausgangslage

Eigentlich hatte das Abstiegsgespenst seine Zelte in Mattersburg schon zwei Wochen zuvor abgebrochen. Das Team von Franz Lederer schlug Rapid in der drittletzten Runde mit 2:0, der Vorsprung auf den Abstiegsplatz betrug fünf Zähler. „Wir haben den Klassenerhalt schon gefeiert, dachten wir sind durch“, erzählt Borenitsch gut neun Jahre später. „So kann man sich täuschen.“ In der vorletzten Runde setze es ein 0:4 bei der Austria, die Konkurrenz feierte, teils überraschende, Punktgewinne. „Und dann war’s richtig oasch, wir wussten, dass nochmal ein Endspiel auf uns wartet.“ Allerdings eines mit Netz und doppeltem Boden. Denn selbst wenn das Heimspiel gegen die Admira verloren gehen würde, müssten auch noch Wacker Innsbruck beim WAC und Wr. Neustadt bei Sturm Graz gewinnen. Also bei Mannschaften, die noch um lukrative Europacup- Plätze kämpften und kein Interesse an einem gemächlichen Saisonausklang hatten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es uns wirklich trifft, war minimal. So viele merkwürdige Ergebnisse kommen normalerweise nicht zusammen“, sagt Borenitsch. Es hätte also schon mit dem Teufel zugehen müssen, damit es ausgerechnet die Burgenländer erwischt.

Stadionsprecher Kühbauer

Doch der gönnte sich an diesem 26. Mai 2013 kein Nickerchen. Um keine zusätzliche Hektik aufkommen zu lassen, entschied SVM-Obmann Martin Pucher, die Mannschaft von Zwischenergebnissen auf den anderen Plätzen zu verschonen. Doch da machte er die Rechnung ohne Admira- Trainer Didi Kühbauer, der obendrein selbst eine Mattersburger Legende ist. „2:0 für den WAC – beide samma durch!“, brüllte er ins Spielfeld. Dass Wr. Neustadt in Graz überraschend führte, fiel bei dieser Konstellation nicht ins Gewicht. Noch nicht. „Mit dem Wissen, dass von Innsbruck keine Gefahr droht, fingen beide Teams an, sich nur noch die Bälle hin und her zu schieben“, sagt Schlussmann Borenitsch.

„Das Match ist komplett eingeschlafen.“ Doch dann klingelte plötzlich der Wecker in Person von Issiaka Ouadraogo. Seinen Schuss konnte Thomas Borenitsch gerade noch entschärfen, gegen den Nachschuss von Dani Segovia war er machtlos. 0:1 in der 73. Minute. Bitter. Zumal Wr. Neustadt mittlerweile mit 3:0 vorne lag. Aber da war ja immer noch der WAC. Oder etwa doch nicht?

Drei Tore in sechs Minuten

Das von Kühbauer durchgesagte Ergebnis in Wolfsberg hatte bis zur 72. Minute Bestand. Dann legte das Team von Wacker- Coach Roli Kirchler eine Aufholjagd hin, die eher an eine Wiederauferstehung erinnert. Innerhalb von sechs Minuten drehten die Tiroler die Partie, führten plötzlich mit 3:2. Was diesmal nicht von „Don Didi“, sondern über die entsetzten Zuschauer an die Spieler herangetragen wurde. Spätestens jetzt reifte in Borenitsch die Erkenntnis, in einem Film mitzuspielen, bei dem die Fantasie mit dem Regisseur durchzugehen drohte. „Uns allen war klar: Gelingt uns in den verbleibenden zehn Minuten kein Tor, sind wir am Ende wirklich Letzter.“ Und wie es an solchen Tagen nun einmal ist. Elfmeterpfiffe bleiben aus, Schnittbälle landen beim Gegner, Chancen werden kläglich vergeben. Borenitsch, der die entscheidenden Minuten heute noch vor seinem geistigen Auge abrufen kann: „Ich behaupte: Hätte es den VAR damals schon gegeben, hätten wir zwei Strafstöße bekommen. So aber sollte es einfach sein, dass wir tatsächlich absteigen.“

Ende der Stille

So kam es auch. Für einen wie Borenitsch, der sein gesamtes Profileben im Burgenland verbrachte und dem Verein auch nach seiner aktiven Karriere bis zum bitteren Ende in verschiedenen Positionen die Treue hielt, ein Fall ins Bodenlose. „Wir haben uns angeschaut und gefragt: Was ist denn jetzt passiert? Wir konnten das nicht realisieren.“ Gott sei Dank ist nur wenige Wochen später seine Tochter zur Welt gekommen und hat den damals 32-Jährigen aus dem Tal der Enttäuschung gezogen. Denn dann war es zumindest im Hause Borenitsch mit der Stille wieder vorbei.

 

Fotos: GEPA pictures

Redakteur: Markus Geisler
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